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RA Schwarz

Gustl Mollath erhält Geldentschädigung

Gustl Mollath erhält Geldentschädigung für verfassungswidrigen Freiheitsentzug in Höhe von 600.000,00 Euro.


Gustl Mollath war vom Freistaat Bayern sieben Jahre lang zu Unrecht seiner Freiheit durch Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie beraubt. Er ist zwar der bekannteste Fall eines Justizopfers in Deutschland, damit aber sicher kein Einzelfall.


Ein Rechtsstaat muss in der Lage sein, seine eigene systemimmanente Unfehlbarkeit nicht nur einzugestehen, sondern auch für entsprechenden überkompensatorischen Ausgleich auf materieller sowie auch immaterieller Ebene zu sorgen. Alles andere ist indiskutabel, wenn es um den Entzug der persönlichen Freiheit geht.


Insofern ist es für die deutschen Bürger (das Urteil erging auch "im Namen des Volkes") eine Schande, dass nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz 25 Euro pro Hafttag auch noch als "Entschädigung" bezeichnet werden. Für ein völlig zerstörtes Privatleben, eine zerstörte Sozialsphäre, die zerstörte berufliche Position, zerstörte Zukunftsaussichten, verlorene Vermögenswerte und die Unerträglichkeiten und Erniedrigungen im Freiheitsentzug sind ohnehin nicht mit Geld aufzuwiegen, was umso mehr einen überkompensatorischen Ausgleich nahelegt, der jedenfalls solch einen Neuanfang ermöglicht, dem eine gewisse Genugtuung innewohnt.


Beides, also das Eingestehen der Unfehlbarkeit wie auch eine dem Empfinden von Gerechtigkeit entsprechende Entschädigung, hat Mollath nur höchst unzureichend erhalten.


Es ist Zeit, an dieser menschenverachtenden Rechtslage etwas zu ändern.


Update:

Auf Initiative des Bundeslandes Hamburg hat sich der Bundesrat im Dezember 2019 dafür ausgesprochen, die Höhe der Wiedergutmachung zu verdreifachen. Nach dem Willen der Länderkammer soll es künftig 75 Euro pro Hafttag geben, aktuell werden 25 Euro für jeden zu Unrecht eingesessenen Tag gezahlt.

Die geplante Erhöhung auf 75 Euro ist ein überfälliger Schritt, trägt steht aber noch in keinem Verhältnis zum erlittene Unrecht durch Freiheitsberaubung. Ulrich Schellenberg, ehemaliger Präsident des Deutschen Anwaltsvereins, meint dazu: "Der deutschen Justiz müsste es aus meiner Sicht 100 Euro wert sein, einen Menschen zu Unrecht seiner Freiheit beraubt zu haben."

Dennoch: Setzt man 100 Euro pro Tag in Verhältnis zu einer verlorenen Existenz, verlorenem Einkommen und zerstörtem sozialen Umfeld ist selbst dieser Betrag für eine Rechtsstaat unwürdig.




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